Do 19.02.2004 19:39 - Biathlon-WM in Oberhof - eine Nachlese | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
"Gestern war´n so´n paar Fußballfans aus Erfurt hier im Stadion und haben die Norweger ausgebuht. Denen hab ich dann erst mal die Spielregeln erklärt: Beim Biathlon gibt´s so was nicht, hier wird jeder angefeuert!", erklärt mir der Biathlonfan aus Mecklenburg, ein weit gereister und einer der erfahreneren seiner Zunft. Eine Tatsache, die mir längst bekannt ist und schließlich mit für den Reiz dieser Sportart verantwortlich ist. Ein Miteinander der Athleten und Fans, wie man es sonst höchstens noch beim leichtathletischen Zehnkampf findet. Sofort fällt mir ein weiterer Pluspunkt ein. Erfreulicherweise sind die meisten Biathleten im soliden Mannesalter (resp. Frauenalter), und man kommt sich als Ü40-Fan nicht vor wie in der dritten Reihe von "Deutschland sucht den Küblstar". Zum Glück, denn zu einer echten Boygroup taugen weder die Thüringer Haudegen mit dem Waidmannappeal, Frank Luck und Familienvater Fischer, noch Wahl-Bazi Ricco oder Echt-Bazi Greis, der jüngste mit dem ältesten Namen (Poschmann-Gag im Festzeltstudio und keiner hat´s kapiert). So zogen die Teenie-Invasionen am selben Wochenende ins hessiche Sauerland, wo neue Adler flügge wurden, während der Grenzadler vom Willinger Ballermann-Virus weitgehend verschont blieb. Sehr sympatisch, diese traditionsreiche Disziplin. Einst hervorgegangen aus den zigtausend Jahre alten Jagdbemühungen skandinavischer Ureinwohner, soll es den ersten biathlonähnlichen Wettkampf bereits 1767 unter Soldaten an der schwedisch-norwegischen Grenze gegeben haben. 1924 kam der militärische Patrouillenlauf im französischen Chamonix erstmals als Demonstrationswettbewerb zu olympischen Ehren, bevor er unter dem Namen "Biathlon" seit 1960 fest im Programm der Winterspiele verankert wurde. Spätestens mit den Erfolgen des heutigen Trainers Frank Ullrich (DDR) oder Peter Angerer Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre nahm auch die deutsche Sportöffentlichkeit von dieser gegensätzlichen Kombination aus Langlaufhast und Schusskonzentration Notiz. Und mittlerweile lockt die spannende Sportart mit ihrer Showdown-Garantie wahre Fanscharen vor die Bildschirme. Oder eben nach Oberhof ... Die Weltmeisterschaft bescherte dem Veranstalter einen absoluten Erfolg. Der thüringische Wintersportort stand für zehn Tage im Rampenlicht. Eine ziemlich perfekte Organisation, die Maßstäbe setzte, und vor allem die insgesamt etwa 200.000 Fans im Stadion und an der Strecke, größtenteils enthusiastisch angetan, trugen zum Imagegewinn Oberhofs bei. Bleibt zu hoffen, dass sich dies auch mal positiv in den touristischen Bilanzen des Thüringer Waldes und seines Umlands ausdrückt. Wer wissen möchte, dass täglich 25.000 Bratwürstchen und 7.000 l Glühwein verkauft wurden und was es sonst noch an Statistiken, sportlichen und anderen Fakten der WM-Tage gibt, der kann sich hier bestens informieren. Kleiner Kritikpunkt am Rande: Dass ein einfacher Startnummernzettel, der an der Strecke nur schwer erhältlich war, 50 Cent kosten muss, ist schwer zu begreifen. So etwas sollte zum Service gehören und längst von den Geldern der sechs auf dem Zettel prangenden Hauptsponsoren bezahlt sein! Wer sich das Sportspektakel vom Rennsteig noch mal in Wort und Bild betrachten möchte - vor allem Klasse-Fotos -, dem sei der WM-Service der Thüringer Allgemeine empfohlen. Sie glänzten mit einer hervorragenden WM-Berichterstattung, natürlich im gewohnten Thüringer Hurra-Patriotismus und durchaus mit Ideen: Im Medaillenspiegel wurde die Familie Poiree mit 7 x Gold, 1 x Silber und 1 x Bronze als erfolgreichste Teilnehmer extra aufgeführt. Lohnenswert ist ebenfalls ein Klick auf EisenachOnline, denn auch Rainer Beichler hatte einen guten Fotoplatz in der Arena. Mit wenig Ruhm bekleckerte sich (mal wieder) unsere nordhessische Hauspostille aus Kassel, die es nicht schaffte, einen eigenen Mitarbeiter ins nahe Oberhof zu schicken. Immerhin fand hier eine Weltmeisterschaft statt. Da berichtete man doch viel lieber mit Mann und Maus aus Willingen, seitenweise gleich und mit ausführlichen Biographien des letzten Parkplatzwächters! Für Oberhof reicht die Agentur, und als unsere Männer-Staffel Weltmeister wurde, sah man anderntags auf der Titelseite der Werra-Rundschau wie ein formschwacher Hannawald in Willingen nach der Quali Autogramme schrieb! Na, bravo! Auch ein paar (wenige) Herleshäuser Sportfreunde fanden den Weg ins benachbarte Bundesland, um sich die seltene Gelegenheit einer WM quasi vor der Haustür nicht entgehen zu lassen. Wir erlebten u. a. den perfektesten Staffellauf eines deutschen Männerquartetts, das zusätzlich noch als "Lucky" Lucks Abschiedsrennen in die Annalen eingegangen ist. Gut, die Stimmung im Stadion war sicher nicht zu toppen - man hörte es ja aus der Ferne -, doch auch die Atmosphäre an der gesamten Strecke hatte etwas Besonderes. Am Aufstieg der Wolfsschlucht, nahe des sog. "Frankfurter Kreuz", wo man die Läufer zweimal erhaschen kann, herrschte, wie an der ganzen Strecke, sofort absolute Stille, wenn die Athleten ins Stadion kamen. Einige drängten sich um den kleinen Fernsehmonitor beim Kameramann, um in den Schießstand zu blicken, während alle anderen der fernen Stadionakustik lauschten. Natürlich wusste man die Laute zu deuten und sah im Geiste den kleinen weißen Punkt auftauchen, bestenfalls fünf an der Zahl. Mit insgesamt nur zwei Schießfehlern legten Luck, Groß, Fischer und Greis hier die Grundlage für ihren goldenen Lauf, und jedesmal, wenn einer von ihnen unten in der Wolfsschlucht auftauchte, schob ein Jubelorkan den Skater übern Buckel. Nach dem letzten Schießen hatte Schlussmann Michi Greis schon an dieser Stelle ein Lächeln auf den Lippen! Dieses und noch mehr von zwei WM-Besuchen sieht man in den folgenden Fotos, z. B. die gemütliche Bahnhofskneipe in Oberhof, die ein netter Kumpel von unserem Huppel-Tommy bewirtschaftet und bei dem wir uns gleich heimisch fühlten (prima Soljanka!); Heerscharen von Fotografen, die gar nicht zum Biathlon, sondern wegen alten Dampfloks angereist waren - getreu dem Motto "Lok statt Luck". Wer kennt Gustav? Noch ein Huppelkumpel, diesmal als Streckenposten, der an einem Tag sich mit Heinz den Kümmerling teilt und am nächsten Tag die deutsche Fahne beim Staffelsieg übergab! Und dann lebt da noch einer ... Ja, ... ja, er lebt noch, er lebt noch, er lebt noch. Klar, der "Holzmichl". Kennt ihr nicht? Na, was dem Tiroler sein Anton ist dem Erzgebirgler sein Holzmichl - nur viel, viel besser. Wer´s nicht glaubt, hier gibt´s ´ne kleine Hörprobe von der eigentlichen WM-Hymne. » mehr . . .
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